Freistädter Spitalskandal

Anmerkung Dr. Krückl: Auch das Disziplinarverfahren endete mit einem vollständigen Freispruch. Die sogenannte “Affäre” hat sich daher in Nichts aufgelöst.


Freistädter Oberarzt darf wieder operieren

LINZ. Nach der Aufhebung seiner Suspendierung gilt der im Zuge der Spitalsaffäre Freistadt angeklagte Oberarzt Harald F. als rehabilitiert. Er wird ab 1. März im Landeskrankenhaus Steyr arbeiten.

Es sei der Wunsch des seit September 1999 suspendierten Oberarztes, wieder in seinen Beruf zurückzukehren, sagt Harald Geck, Vorstand der für die Verwaltung der Landesspitäler zuständigen Gesundheits- und Spitals AG (Gespag). Wegen der langen Pause müsse der Arzt vorerst jedoch eine 18 Monate dauernde Weiterbildung durchlaufen, um wieder auf den neuesten Stand der Chirurgie zu kommen, so Geck. Diese wird er im Chirurgie-Team des Landeskrankenhauses Steyr absolvieren. Das Programm umfasse auch eine Zusatzausbildung auf dem Gebiet der Gefäßchirurgie, der Arzt werde im Rahmen der Weiterbildung auch operieren.

In Steyr empfängt man den Oberarzt ohne Vorurteile: “Er wurde zu Unrecht beschuldigt, das haben die Untersuchungen bewiesen”, sagt der Ärztliche Leiter des Landeskrankenhauses, Primar Josef Feichtinger.

Der ehemalige Freistädter Oberarzt wurde im November 2001 am Landesgericht Linz vom Vorwurf freigesprochen, er habe durch Behandlungsfehler den Tod zweier Patienten verschuldet. Zuvor waren mehr als hundert Krankengeschichten, bei denen man Kunstfehler vermutete, überprüft worden – ohne Hinweise auf schuldhaftes Verhalten zu finden. Vergangenen Mittwoch hat die Disziplinarkommission die Suspendierung des Arztes aufgehoben.

Wo Oberarzt Harald F. nach seiner Weiterbildung eingesetzt wird, sei noch nicht entschieden, so Geck. Auch über dessen finanzielle Ansprüche habe man noch nicht gesprochen. Während der Suspendierung habe der Arzt sein Grundgehalt von rund 2200 Euro (30.000 S) bezogen. Entgangene Nebengebühren für Nachtdienste und Überstunden sollen nachbezahlt werden. Laut Geck handle es sich um rund 7000 Euro. Karl Krückl, Anwalt des Arztes, bestätigt diese Summe nicht. Er will auf die Vorlage der Berechnungen warten. (wb)

OÖN Hauptausgabe vom 16.02.2002 – Seite 024


Chirurg tritt nach Freispruch wieder den Dienst an

LINZ. Aus einem formlosen Schreiben, das ihm gestern per Boten zugestellt wurde, erfuhr der frühere Oberarzt Harald F., dass er ab heute wieder im Dienst ist: Die im September 1999 bei Ausbruch der “Affäre Freistadt” ausgesprochene Suspendierung ist aufgehoben.

Die Disziplinarbehörde des Landes hat damit auf den rechtskräftigen Freispruch reagiert, mit dem das Gerichtsverfahren gegen den 46-Jährigen im November geendet hatte:

Von mehr als hundert Krankengeschichten, die von Gerichtsgutachtern auf mögliche Behandlungsfehler durch verschiedene Ärzte im Krankenhaus Freistadt durchleuchtet worden waren, wollte die Staatsanwaltschaft zwei Fälle vor Gericht geklärt wissen. Es ging dabei jeweils um schwer kranke ältere Patienten, die nach Darmoperationen gestorben waren. Die Gutachter hatten keine eindeutigen ärztlichen Behandlungsfehler festgestellt, beim Prozess wurde Harald F. freigesprochen.

Nach fast zweieinhalb Jahren wurde jetzt die Suspendierung aufgehoben. Die “Affäre Freistadt”, deren Ursachen auch in massiven Zerwürfnissen in der damaligen Chirurgen-Riege lagen, hatte einen heilsamen Reformprozess in der oö. Spitalswelt in Gang gebracht, eine Reihe von gravierenden Systemmängeln wurden aufgedeckt und beseitigt: Unter anderem hatten Ärzte bei Notfällen teilweise erst aus Linz geholt werden müssen.

Harald F. soll sich heute bei der Gesundheits- und Spitals AG (GESPAG) zum Dienst melden und wird dabei erfahren, in welchem Landeskrankenhaus er eingesetzt wird.

“Mein Mandant hat die Zeit genützt und sich regelmäßig auf Kongressen und Seminaren weitergebildet, er ist also medizinisch auf dem neuesten Stand”, so Harald F.s Anwalt Karl Krückl, der auch erreicht hat, dass der Chirurg sein Grundgehalt in voller Höhe weiterbezahlt bekam. Verhandelt wird noch über Entschädigung für Klassegebühren, die dem Oberarzt durch die Suspendierung entgangen sind.

(von Martha Hakami)
OÖN 14. 2. 2002


„Causa Freistadt“: Disziplinarkommission hob Suspendierung des Oberarztes auf
Wo wird Oberarzt F. seinen Dienst antreten?

FREISTADT — Die Suspendierung des ehemaligen Oberarztes Harald F. im Landeskrankenhaus Freistadt wurde gestern nach knapp zweieinhalb Jahren von der „Sonderkommission Freistadt“ aufgehoben. Heute um acht Uhr tritt er seinen Dienst an, der mit einem Gespräch beim Personalvorstand der Oberösterreichischen Gesundheits- und Spitals AG, Harald Geck, beginnt. Dort soll die berufliche Zukunft des im Strafverfahren rechtskräftig freigesprochenen Chirurgen geklärt werden.

Vor zweieinhalb Jahren, am 12. August 1999, trat LR Josef Ackerl (SPÖ) mit seiner Anzeige die „Causa Freistadt“ rund um Oberarzt Harald F. los. Der Chirurg wurde Ende August 1999 vom Dienst suspendiert. Von den 150 Verdachtsfällen wegen ärztlicher Kunstfehler blieben nur zwei übrig, die im Sommer 2001 zu einem Strafantrag führten. Der rechtskräftige Freispruch am Landesgericht Linz erfolgte am 15. November 2001. Logische Konsequenz des Freispruches war die Aufhebung der Suspendierung, die gestern durch die fünfköpfige „Sonderkommission Freistadt“ unter dem Vorsitz von Alfred Kimberger, Bezirkshauptmann von Schärding, erfolgte. – Nach wie vor anhängig ist aber das Disziplinarverfahren gegen den Oberarzt. Dieses kann laut Kimberger erst abgeschlossen werden, wenn der Kommission die konkreten Dienstpflichtverletzungen vorliegen. Dafür und über die weitere berufliche Zukunft des Chirurgen ist — eine Folge der „Causa Freistadt“ —nun die Gesundheits- und Spitals AG (GESPAG) zuständig, in die mit Jahresbeginn 2002 alle 15 Landeskrankenhäuser ausgegliedert wurden. – Klärendes Gespräch über zukünftigen Job – Heute um acht Uhr kommt es zwischen Oberarzt F. und einem Team um GESPAG-Personalvorstand Geck zu einer Aussprache. Aus der GESPAG heißt es: „Es kommt auf die Vorstellungen des Arztes an. Wir wollen nicht, dass unsere Mitarbeiter aus der Zeitung erfahren, was mit ihnen weiter passiert.“ Aber letztlich gebe es nur drei Möglichkeiten: F. arbeitet als Chirurg weiter, er übt eine andere Tätigkeit in einem Landesspital aus oder er löst das Dienstverhältnis. – „An sich will er wieder ins Krankenhaus Freistadt zurück“, sagt der Anwalt des Oberarztes, Karl Krückl, gegenüber dem VOLKSBLATT. Er habe dort mit Ausnahme des mittlerweile ausgeschiedenen Primars keine Schwierigkeiten mit den Kollegen gehabt. Während der Zeit der Suspendierung habe sich F. bei Seminaren und Kongressen und mittels Fachliteratur weitergebildet, sodass er nahtlos dort anschließen könnte, wo er aufgehört hat. – Sollte er nach Freistadt zurückkehren, will der jetzige Chirurgie-Primar, Otto Reindl, ein Gespräch mit ihm führen. Über die Medien sagt er aber nichts, „weil ohnedies schon zu viel Porzellan in der Sache zerbrochen wurde“. Für den Ärztlichen Direktor des LKH Freistadt, Josef F. Hofer, steht aber bereits fest: „Nach Freistadt kommt der Arzt ganz sicher nicht zurück.“ – Nachzahlung der Sondergebühren – Neben der beruflichen Zukunft von F. muss auch noch die Frage des Verdienstentgangs geklärt werden. Der Oberarzt erhielt in den vergangenen zweieinhalb Jahren sein volles Grundgehalt, aber die Sondergebühren der Klassepatienten (rund 14.500 bis 22.000 ¢ pro Jahr) wurden vom Dienstgeber einbehalten.

Von Michaela Ecklbauer
Neues Volksblatt – 14. 2. 2002 Politik


“Will wieder als Chirurg arbeiten“
Freistadt: Anwalt des rehabilitierten Oberarztes überlegt Rechtsschritte

“Was soll man zu diesem Arzt noch sagen – er kann es einfach nicht“, behauptete der oö. Gesundheitslandesrat Josef Ackerl (SP) am Höhepunkt der Freistädter Spitalsaffäre. Besagter Chirurg ist inzwischen rechtskräftig rehabilitiert. Vor Gericht konnten ihm keine strafrechtlich relevanten Behandlungsfehler nachgewiesen werden.

„Ich bin überglücklich und freu’ mich irrsinnig über das Urteil“, betont der lange im Zwielicht gestandene Oberarzt Harald F. „Die vergangenen zweieinhalb Jahre waren für mich und für meine Familie extrem belastend.“

Solidaritätskundgebungen habe es während dieser Zeit lediglich von verschiedenen Kollegen gegeben. Politiker, bestimmte Medien und ein Großteil der Öffentlichkeit hätten eine beispiellose Kampagne gegen seine Person geführt. Der Mediziner erhielt Operationsverbot und versuchte die schwierige Zeit mit beruflichen Fortbildungsmaßnahmen sowie seiner großen Leidenschaft – der Musik – zu überbrücken. „Schlussendlich hat jetzt doch noch die Gerechtigkeit gesiegt“, ist F. erleichtert.

Auch Freitag nahm der – vom Land OÖ immer noch suspendierte – Chirurg wieder an einer medizinischen Fachtagung teil. „Ich versuche auf dem neuesten Stand zu bleiben“, betont der 45-Jährige. Für die Zukunft wünscht er sich, möglichst bald wieder als Chirurg arbeiten zu können.

Ob bzw. in welchem Landeskrankenhaus er tätig sein wird, ist unklar. Das Urteil einer vom Personalreferat des Landes eingesetzten Disziplinarkommission ist immer noch ausständig.

„Die Suspendierung muss dringend bereinigt werden“, fordert sein Anwalt. „Sollte das aber nicht der Fall sein, werden wir uns rechtliche Schritte vorbehalten.“

Zu überlegen sei auch, ob gegen F.s ehemaligen Chef, Primar Norbert L., den „Aufdecker“ des Freistadt-Skandals, vorgegangen werde.

Für seinen Mandanten hofft er, dass dessen Ruf durch die Beschuldigungen nicht unwiederbringlich beschädigt bleibt. „Politiker, Beamte und Staatsanwaltschaft sollten sich künftig sorgfältiger überlegen, was sie mit vorläufigen Maßnahmen anrichten können.“

von Jürgen Pachner
Kurier 17.11.2001


Schlussstrich unter die Affäre Freistadt
Freispruch für ehemaligen Oberarzt

LINZ. Durch das Brennglas von zwei Todesfällen, die von insgesamt rund 150 untersuchten Krankengeschichten noch übrig geblieben waren, wurde gestern vor Gericht die „Spitalsaffäre Freistadt“ beleuchtet: Freispruch für den ehemaligen Oberarzt Harald F.

Die Darmoperation an den beiden auch sonst gesundheitlich schwer angeschlagenen Patienten 70 und 67 Jahre alt, seien routinemäßig verlaufen, so der 46-Jährige, er habe in seiner Laufbahn insgesamt 7000 Eingriffe durchgeführt. In einer der als „fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen“ angelasteten Fälle war bei einer zweiten Operation ein abgestorbenes Darmstück entdeckt worden. Möglicherweise war beim Nähen ein Gefäß abgedrückt worden. Ein Missgeschick, das auch den besten Operateuren passieren könnte, wie Gutachter Ernst Bodner aus Innsbruck meinte. Es sei auch nicht gesagt, dass darin die Ursache für die tödliche Bauchfellentzündung zu sehen sei. In diesem Fall wurde F. nicht einmal vom früheren Primar Norbert Leithner belastet, der als Zeuge meinte, die Operationen – eine hatte er selbst vorgenommen – hätten dem Mann „eben nicht mehr geholfen“.

Beim zweiten Patienten hätte er bei einer Nachoperation ein vergessenes abgerissenes Dünndarmstück gefunden, so Leithner. Harald F.: „Ich hatte drei Mal nachgeschaut – da war nichts. Ich war von diesem Befund überrascht.“ Von Staatsanwalt Josef Reisinger musste sich der frühere Primar Leithner die Frage gefallen lassen, warum er keine Obduktionen angeordnet hatte, wenn ihm die Todesfälle nicht geheuer gewesen wären.

Die seit Jahren bestehenden Zerwürfnisse zwischen den beiden Chirurgen, ein wesentlicher Bestandteil der „Affäre Freistadt“, wurden von Richter Benedikt Weixelbaumer aus dem Prozess ausgeklammert. Zur Sprache kam aber die Personalknappheit, „unter der wir besonders an Feiertagen ständig gelitten haben“ (Leithner).

Der Verteidiger hatte die beiden seiner Meinung nach willkürlich herausgegriffenen Todesfälle als „schicksalhaft“ bezeichnet. Der Richter fällte in beiden Fakten einen Freispruch für den seit zwei Jahren vom Dienst suspendierten Harald F.

Von Martha Hakami
OÖN, 13. November 2001


Spitalaffäre: Prozess um zwei tote Patienten
Angeklagter Oberarzt bestreitet Schuld

Linz – Die Schriftführerin im Saal des Linzer Landesgerichtes ist an diesem Montag nicht zu beneiden. Die Verhandlung gegen den Freistädter Oberarzt Harald F., dem in zwei Fällen fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Umständen vorgeworfen wird, gleicht eher einer Medizin-Vorlesung. Immer wieder muss Richter Benedikt Weixelbaumer Sachverständige, Zeugen und den Angeklagten unterbrechen, wenn diese Fachausdrücke verwenden. Und das passiert häufig, ist die wesentliche Frage doch, ob der Oberarzt nicht kunstgerecht operiert hat, oder ob der Tod der beiden Patienten in den Jahren 1997 und 1998 schicksalhaft war. Ein Urteil stand bei Redaktionsschluss noch aus.

Im ersten Fall geht es um die Frage, ob der Mediziner bei der Darmoperation ein schlecht durchblutetes Darmstück nicht entfernt hat und deswegen später die Naht aufplatzte. Beim zweiten Patienten soll er ein Stück Dünndarm übersehen haben, was durch eine Entzündung knapp zwei Wochen später zum Tod des Mannes geführt habe.

Oberarzt F. sieht sich in beiden Fällen unschuldig. ER habe kunstgerecht operiert, ihm sie nichts Ungewöhnliches aufgefallen, erklärt er bei seiner ersten Aussage vor Gericht. Auch eine ehemalige Turnusärztin, die bei der ersten Operation assistiert hatte, kann sich an keine besondere Umstände erinnern.

Staatsanwalt Josef Reisinger kontert, dass mehrere Gutachter dem Oberarzt eine „grobe Operationstechnik“ attestiert haben. Auch soll er überdurchschnittlich schnell gearbeitet haben. Der Verteidiger  zitiert wiederum aus einem medizinischen Gutachten im Auftrag des Landes Oberösterreich, in dem festgehalten wird, dass „der Vorwurf des Kunstfehlers nicht aufrechterhalten werden kann“.

Der ehemalige Freistädter Chirurgieprimar, der infolge persönlicher und fachlicher Differenzen mit dem Angeklagten die so genannte Freistädter Spitalsaffäre ins Rollen gebracht hatte, kann mit seiner Aussage wenig zur Aufklärung beitragen. So versuchen die beiden im Saal anwesenden Gutachter, Licht in das Dunkel zu bringen.

Der Innsbrucker Chirurg Ernst Bodner, der das Gerichtsgutachten verfasst hat, ist der Meinung, dass F. im ersten Fall das schlecht durchblutete Darmstück hätte entfernen müssen. Nicht ganz auschließen will er aber, dass die Durchblutungsstörung erst später aufgetreten ist. Im Fall des vergessenen Darmstückes gesteht er ein, dass der Eingriff schwierig sein, man hätte ihn aber in mehreren Etappen durchführen können.

Michael Möseneder
Der Standard, 13. November 2001


Zwei Jahre nach Spitalsaffäre im Landeskrankenhaus stand Chirurgie-Oberarzt wegen fahrlässiger Tötung vor dem Richter
Richter waren Beweise zu dünn: Freispruch für Freistädter Arzt!

„Freispruch im Zweifel!“ Dem Linzer Richter Benedikt Weixelbaumer war die Beweislage „zu dünn“ für eine Verurteilung des suspendierten Oberarztes Dr. Harald F. (46). Als Folge der „Spitalsaffäre“ im Landeskrankenhaus Freistadt wurde ihm von Staatsanwalt die fahrlässige Tötung zweier Patienten unter besonders gefährlichen Verhältnissen zur Last gelegt. Hintergrund war das 1999 eskalierte Zerwürfnis des Mediziners mit seinem Primar Dr. Norbert L.

Am Höhepunkt der Affäre war von über 100 verdächtigen Behandlungsfehlern die Rede, zwölf wurden von Gutachtern untersucht, zwei Todesfälle nach Operationen standen im Mittelpunkt des Prozesses gegen den suspendierten Arzt:

Bei Edmund Scheuchenpflug warf der Strafantrag dem Operateur vor, einen geschädigten Dünndarmteil nicht entfernt zu haben. Nach zwei weiteren Operationen war Scheuchenpflug 70-jährig verstorben.

Der Patient verstarb „eher unerwartet“

Harald F., dessen Verteidiger von „schicksalhaften Krankheitsverläufen“ sprach, ist sich jedoch keiner Schuld bewusst: „Die Operation war für mich erfolgreich abgeschlossen.“ Richter Benedikt Weixelbaumer: „Haben Sie sich überfordert gefühlt?“ Angeklagter: „Nein.“ Und weiter: „Für mich ist der Patient eher unerwartet verstorben.“

Der Ex-Chef des Angeklagten, Ex-Primar Dr. Norbert L. (die Verfahren gegen ihn wurden eingestellt), sagte als Zeuge aus. Er hatte die zweite Operation an Scheuchenpflug durchgeführt und will dabei „operative technische Fehler“ beim ersten Eingriff entdeckt haben. „Der Abriss des Darms hätte nicht passieren dürfen!“

Für die Gutachter Dr. Ernst Bodner und Dr. Johann Haberl stellte sich deshalb die Frage, warum keine Obduktion angeordnet wurde. Bodner eindeutig: „Wenn ich bei einer zweiten Operation feststelle, dass da einer vor mir einen Fehler gemacht hat, muss man obduzieren.“

Auch bei Alois Mayer, der im Alter von 67 Jahren starb, weil der Arzt, so Staatsanwalt Hofrat Josef Reisiner, ein Darmstück im Bauch zurückgelassen haben soll, kam es zu keiner Obduktion. Harald F. schließt einen Fehler seinerseits aus: „Ich habe am Ende der Operation dreimal nachgeschaut, da war nichts!“

Gewichtige Stimmen in dem Verfahren hatte die Gutachter. Der Verteidiger stützte sich auf eine von der Expertenkommission des Landes dezidiert als „Entlastungsgutachten“ in Auftrag gegebene Expertise: „Der Kunstfehler-Vorwurf ist nicht aufrecht zu halten“, heißt es darin.

Ein anderer Experte hält Harald F. jedoch „grobe Operationstechniken“ vor. Staatsanwalt Reisinger: „Dieser Vorwurf zieht sich durch alle Gutachten.“ Dazu erklärt der Angeklagte: „Die untersuchten Fälle waren zugegeben keine Idealfälle. Aber es ist eine Negativ-Auslese von zehn Fälle. Ich habe insgesamt 7000 Operationen durchgeführt, das hat kaum ein Kollege in meinem Alter.“

Entlasten wollte den Chirurgen eine Kollegin, die bei einer der Operationen assistiert hatte. Zum Vorwurf, dass bei Harald F. besonders kurze Operationszeiten aufgefallen waren: „Er war schnell, weil er auch technisch sehr gut war.“

Schwere Aufgabe ohne Obduktion

Die Gutachter Bodner und Haber sollten aussagen, ob Operationsfehler zum Tod der Patienten geführt hätten. Ohne Obduktionen eine schwierige Aufgabe. Bodner stellte im Fall Scheuchenpflug fest, dass es sich um ein „Missgeschick“ gehandelt haben könnte, wie es dem besten Chirurgen passieren kann…

Der Staatsanwalt gab zum Freispruch keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.

Von Claudia Tröster
Kronen Zeitung 13. November 2001


Prozess um zwei Todesfälle im Spital Freistadt

LINZ. Keine eindeutigen Behandlungsfehler hatten Gutachter bei den ursprünglich mehr als hundert Krankengeschichten aus der “Spitalsaffäre Freistadt” festgestellt. In zwei Fällen soll nun trotzdem das Gericht das letzte Wort sprechen.

Am Montag beginnt der Prozess gegen den ehemaligen Oberarzt Harald F. (46) wegen “fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen”. Die Staatsanwaltschaft hat aus den zuletzt in der Universitätsklinik Innsbruck begutachteten zwölf Fällen zwei herausgegriffen: Bei einem 70-jährigen Patienten sei ein geschädigtes Dünndarmstück nicht entfernt worden und der Mann in der Folge an einer Bauchfellentzündung erkrankt. Bei einem 67-Jährigen sei bei der Operation eine Darmschlinge gerissen und beim Nähen ein überflüssiges Darmstück zurückgelassen worden. Beide Männer waren einige Zeit nach der Operation verstorben.

Die Staatsanwaltschaft hat sich im Juni dieses Jahres nach Vorliegen aller Gutachten entschlossen, diese beiden Fälle dem Gericht zur Entscheidung zu überlassen, nachdem das Verfahren betreffend weitere 64 Krankengeschichten bereits eingestellt worden war. Auch gegen den ehemaligen Chirurgie-Primar Norbert Leithner und andere Ärzte des Spitals Freistadt waren keine Strafanträge gestellt worden. Nach Bekanntwerden der “Affäre Freistadt”, der vor allem die Zerwürfnisse zwischen dem Primar und dem Oberarzt und grundsätzliche Mängel in der Spitalsorganisation zu Grunde lagen, hatte der Linzer Gerichtsmediziner Johann Haberl und seine Mitarbeiter mehr als hundert Fälle zu prüfen gehabt, in denen sich entweder die Ärzte gegenseitig Behandlungsfehler vorwarfen oder in denen ehemalige Patienten bzw. ihre Angehörigen Klärung wünschten. Der Großteil war allerdings unter “Spitalsalltag” einzureihen: Komplikationen und Infektionen, wie sie nach chirurgischen Eingriffen auch vorkommen, ohne dass jemand einen Fehler gemacht haben muss.

Richter Benedikt Weixelbaumer hat den Prozess vorerst für einen Tag anberaumt. Der Verteidiger hält auf Grund der Gutachten auch die beiden jetzt zu verhandelnden Todesfälle für schicksalhafte Entwicklungen im Krankheitsverlauf der beiden Patienten. Ärztliche Fehler sehe er nicht bewiesen. Entscheidende Aufschlüsse erwartet man sich vom Innsbrucker Gutachter Ernst Bodner.

VON MARTHA HAKAMI
OÖN Hauptausgabe vom 10.11.2001 – Seite 027


Oberarzt seit zwei Jahren suspendiert

Die rechtliche Aufarbeitung der Spitals-Affäre Freistadt gestaltet sich schwierig: Ist das Gutachten über mögliche Kunstfehler eines Oberarztes unvollständig?

OÖN Hauptausgabe vom 17.07.2001 – Seite 013


Die rechtliche Aufarbeitung der Spitals-Affäre Freistadt gestaltet sich schwierig:
Ist das Gutachten über mögliche Kunstfehler eines Oberarztes unvollständig?

LINZ (SN-pef). In der “Spitalsaffäre Freistadt” könnte sich das Verfahren vor dem Landesgericht Linz nach mehr als zwei Jahren Erhebungen und Untersuchungen weiter in die Länge ziehen.

Wie berichtet, ist vom zunächst vermuteten Skandal mit 150 vom Chirurgie-Primar aufgezeichneten Behandlungsfehlern nicht viel übrig geblieben. Gegen den ehemaligen Oberarzt derselben Abteilung wurde Strafantrag wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen gestellt. Bei zwei Patienten sollen ärztliche Kunstfehler bei Operationen zum Tod geführt haben. Dem Mediziner drohen bis zu drei Jahre Haft. Der nun anberaumte Verhandlungstermin am 12. November 2001 scheint indes fraglich: Richter Benedikt Weixlbaumer betonte, dass eine als Zeugin beantragte Assistenzärztin bislang nicht ausgeforscht werden konnte.

Verteidiger Karl Krückl fordert zudem eine Ergänzung des Gutachtens des Innsbrucker Universitätschirurgen Ernst Bodner vor Prozessbeginn. “Eine Verfahrenseinstellung wäre mir lieber. Ich möchte meinem Mandanten tunlichst eine belastende Hauptverhandlung ersparen, die in jedem Fall zu einem Freispruch führen müsste.”

Teile der Krankengeschichte seien dem Sachverständigen nicht zur Verfügung gestanden. Die für den Fall entscheidenden Unterlagen seien daher nicht im Gutachten berücksichtigt worden. Sonst wäre Bodner mit Sicherheit zum Urteil gekommen, dass kein Kunstfehler vorliege, behauptet Krückl.

Der Oberarzt ist seit fast zwei Jahren zur Untätigkeit verurteilt. Als suspendierter Beamter des Landes Oberösterreich erhält er ein Grundgehalt. Über die Beschwerde seines Anwalts hat der Verwaltungsgerichtshof noch nicht entschieden. “Sicher wird mit einer Verfahrensdauer von mehr als zwei Jahren die Existenz eines Arztes gefährdet, vor allem in einem so sensiblen Bereich wie der Chirurgie”, sagt Krückl. Sein Mandant könne sich nur theoretisch auf dem neuesten medizinischen Stand halten – “indem er Kongresse besucht und Fachliteratur liest”.

03.11.2001 SN


Spitalsaffäre Freistadt: Zwei Todesfälle sollen vor Gericht geklärt werden

LINZ. Nachdem bis zuletzt alles in Schwebe war, soll es nun doch einen Prozess gegen den früheren Freistädter Oberarzt Harald F. geben: Bei zwei fraglichen Todesfällen stellt der Staatsanwalt einen Strafantrag.

Wie berichtet, waren in der Spitalsaffäre Freistadt von 77 eingehend untersuchten Krankengeschichten zuletzt zwölf übrig geblieben, die dem Chirurgie-Chef der Innsbrucker Universitätsklinik, Ernst Bodner, als Fachgutachter zugeleitet worden waren.

In zwei Fällen von Darmoperationen, wobei die Patienten später verstorben waren, hat die Staatsanwaltschaft Linz nunmehr Strafantrag wegen “fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen” gegen den 46-jährigen früheren Oberarzt gestellt: Bei einem 70-Jährigen sei ein geschädigter Dünndarmteil nicht entfernt worden und der Patient in der Folge an Bauchfellentzündung erkrankt. Bei einem 67-Jährigen sei bei einer Operation eine Darmschlinge gerissen und beim Nähen ein Darmstück zurückgelassen worden. Der Patient war schließlich nach einer zweiten Operation verstorben. Bei einer Verhandlung vor einem Einzelrichter soll geklärt werden, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen einem angenommenen Behandlungsfehler und dem Tod der Patienten besteht.

Für Harald F.s Anwalt ist der Strafantrag unverständlich, da Gutachter Ernst Bodner in seinen Gutachten in keinem Fall einen eindeutigen Zusammenhang mit einem Behandlungsfehler herstellt.

VON MARTHA HAKAMI


Freistadt: Eine Hand voll teurer Schadensfälle

LINZ. “Es hat uns sehr viel Geld gekostet – obwohl nur eine Hand voll Fälle übrig geblieben sind, bei denen die Ansprüche berechtigt waren,” so ein Mitarbeiter der Oberösterreichischen Versicherung, die die Entschädigungen in der Spitalsaffäre Freistadt ausgezahlt hat.

Wie gestern ausführlich berichtet, sind laut Gutachten möglicherweise keine strafrechtlich relevanten ärztlichen Behandlungsfehler passiert. Für die zivilrechtliche Haftung genügt es aber, wenn ein gewisses Verschulden des Spitals bzw. eines Arztes festgestellt wird. Mehrere solcher Fälle wurden über die Schlichtungsstelle der Ärztekammer abgewickelt, die für die Patienten kostenlose Gutachten einholt und mit der Versicherung des Spitalserhalters verhandelt. Die Begehrlichkeit war sehr groß gewesen -nach Bekanntwerden der Probleme im Krankenhaus Freistadt hatten sich viele als “geschädigt” gemeldet, die nur irgendwann einmal dort behandelt worden waren. Manche wollten auch Begräbniskosten für Verstorbene.

In den meisten Fällen waren die behaupteten “Kunstfehler” aber von den Gutachtern gleich bei der ersten Sichtung als ganz normale Folgen von operativen Eingriffen erkannt worden.

“Eine Komplikation bedeutet nicht gleich, dass der Arzt einen Fehler gemacht haben muss”, bekräftigt Karl Krückl, der Anwalt des ehemaligen Freistädter Oberarztes Harald F., erleichtert über den Tenor der Gutachten des Innsbrucker Chirurgen Ernst Bodner, der “keine echten Fehler im juristischen Sinn” gefunden hat.

Da sei durch den früheren Chirurgie-Primar “etwas losgetreten worden, was sachlich nicht gerechtfertigt und auch von keiner Seite so beabsichtigt war,” meint Krückl.

VON MARTHA HAKAMI
OÖN Hauptausgabe vom 21.06.2001 – Seite 017


Chirurg kämpft gegen endlose Suspendierung

LINZ/FREISTADT. Fast ein Jahr lang ist der Chirurgie-Oberarzt Harald F. nach dem “Freistädter Spitalsskandal” schon suspendiert, selbst eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof nützt vorerst nichts.

“Die Suspendierung dauert schon seit 20. August 1999, obwohl erst Monate später ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde”, bestätigt F.s Anwalt Karl Krückl. Für den Oberarzt, dem von seinem Vorgesetzten umfangreiche Fehlleistungen im Spitalsbetrieb und bei der Behandlung von Patienten vorgeworfen wurden, sei das unverständlich: Selbst die Staatsanwaltschaft habe mittlerweile in 33 von ursprünglich 70 Fällen die Verfahren eingestellt, weil keine genügenden Gründe für eine strafrechtliche Verfolgung gefunden worden seien (die OÖN berichteten).

F. hatte beim Auffliegen des Freistadt-Skandals schon einige Monate an der Chirurgie im Landeskrankenhaus Steyr gearbeitet und der dortige Primar bestätigte ihm schriftlich eine einwandfreie Leistung. Selbst dieses “Führungszeugnis” nützte dem Oberarzt nichts: Er muss weiter bei gekürzten Bezügen spazieren gehen, während ein Ende des Straf- und des Disziplinarverfahrens noch nicht absehbar ist. “Die Entscheidungsfristen des Verwaltungsgerichtshofes liegen bei zwei Jahren”, bedauert Krückl. Um nichts besser stehe es im Strafverfahren: Bei jeder Anfrage müsse die Staatsanwaltschaft bedauernd abwinken: Man warte noch auf das Ergebnis der medizinischen Fachgutachten, ein Ende sei nicht in Sicht. (pa)

OÖN Hauptausgabe vom 18.08.2000 – Seite 018


Kunstfehler: Nur noch 13 Fälle in Detailprüfung

LINZ. Nur zu 13 Fällen will die Expertenkommission des Landes eine Stellungnahme des Freistädter Oberarztes F. zu angeblichen Behandlungsfehlern. Anwalt Karl Krückl sieht ihn wesentlich entlastet.

“In den Protokollen von Primar L. waren es noch 150 Fälle, nach der Sichtung durch einen Gerichtsmediziner noch 50 und jetzt sind wir bei 13″, zählt Krückl genüsslich vor. Für F. sei es eine große Erleichterung, nach den schweren Vorwürfen “endlich sachlich dazu Stellung nehmen” zu können. Die Kommission habe den Oberarzt zuerst zu allgemeinen organisatorischen Belangen am LKH Freistadt befragt. Zu den 13 medizinischen Fällen soll F. an Hand der Krankengeschichten ehestmöglich eine Stellungnahme ausarbeiten, die der Kommission vorgelegt und mit ihr diskutiert wird. Von der Amtsverschwiegenheit wurde er vom Land nur für die Einvernahmen entbunden. F. ist derzeit bei vollen Bezügen außer Dienst, verliert aber alle Zulagen. (pa)

OÖN Hauptausgabe vom 17.09.1999 – Seite 021


Freistadt: Experten erhärteten Verdacht Vorwurf jahrelanger Vertuschung

LINZ/FREISTADT. Erhärtet wurde der Verdacht auf Kunstfehler eines Chirurgie-Oberarztes im Freistädter Landesspital. Das ergaben die bisherigen Untersuchungen einer Expertenkommission. Zudem seien Vorfälle vertuscht worden.

19 Krankengeschichten haben die ärztlichen Mitglieder der von Landeshauptmann Josef Pühringer (VP) eingesetzten Expertenkommission bisher untersucht. Bei drei Todesfällen könnten Behandlungsfehler nicht ausgeschlossen werden, auch bei den übrigen Fällen wurde der Verdacht auf Kunstfehler erhärtet. Das erklärte Rudolf Brunnhofer, der Leiter der Kommission. Brunnhofer ist ehemaliger Präsident des Oberlandesgerichtes Linz und derzeit Leiter der Schiedsstelle für Behandlungszwischenfälle der oberösterreichischen Ärztekammer. Sollten tatsächlich Kunstfehler nachgewiesen werden, so Brunnhofer, dann seien dies Fälle, die auch in anderen Krankenhäusern passieren könnten. Doch im Falle Freistadt sei etwas Gravierendes dazugekommen. “Hier hat man den Eindruck, hier ist jahrelang etwas vertuscht worden”, sagt Brunnhofer.

Die Kunstfehler reichen von mangelnder Untersuchung bei der Aufnahme der Patienten, mangelnder Diagnose, falscher Therapie bis zu Fehlern bei der Operation. Die Fälle hat Norbert Leithner, der Primar der Chirurgieabteilung des Freistädter Landesspitals, aufgezeichnet. Hauptbeschuldigter ist Oberarzt F. Die betreffenden Ärzte werden in der nächsten Zeit von der Kommission zu den von den ärztlichen Kommissionsmitgliedern bedenklichen Fällen befragt.

Karl Krückl, der Anwalt des beschuldigten Oberarztes, erklärte, dass die Behandlungsfehler bisher nicht bewiesen seien. Kommissionsvorsitzender Brunnhofer habe zugesagt, dass der Beschuldigte die Krankengeschichten und die Möglichkeit zur Stellungnahme erhalte.

Primar möchte wieder arbeiten

“Was wirft man meinem Mandanten denn vor?”, fragt Hans Kaser, der Anwalt des dienstfreigestellten Chirurgieprimars des Freistädter Landeskrankenhauses. Primar Norbert L., der in seinen Protokollen 150 aufklärungsbedürftige Fälle seines Oberarztes dokumentiert hat, darf seit 20. August keinen Dienst mehr tun. Begründung: Da der Arzt nun besonders unter Stress stehe, solle er nicht arbeiten, da sonst Fehler passieren würden.

Nach einer Aussprache der Freistädter Belegschaft mit Landeshauptmann Josef Pühringer (VP) zeichnet sich ab, dass Primar L. auch künftig nicht in Freistadt arbeiten darf. “Die Fälle müssen untersucht werden, das kann nicht einfach festgesetzt werden”, sagt Anwalt Kaser.

OÖN Hauptausgabe vom 08.09.1999 – Seite 016


Drei Tote durch Kunstfehler
Experten zu Freistadt: Jahrelanges Vertuschen, Dauerschäden durch Operation

Linz – “Man hat den Eindruck, hier ist jahrelang – salopp gesagt – etwas vertuscht worden”, kommentierte Rudolf Brunnhofer, der Vorsitzende der unabhängigen Expertenkommission zur Untersuchung der Vorkommnisse im Landeskrankenhaus Freistadt die ersten vorliegenden Ergebnisse. Die Überprüfung von 19 Krankengeschichten habe den Verdacht erhärtet, dass ärztliche “Kunstfehler” passiert seien.

Bei zumindest drei Todesfällen und einigen weiteren Krankengeschichten könnten Behandlungsfehler nicht mehr ausgeschlossen werden. Die Art der Kunstfehler reiche von mangelnder Untersuchung bei der Aufnahme von Patienten, unzureichender Diagnose, falschen Behandlungen bis hin zu Fehlern bei Operationen, die mitunter auch Dauerschäden nach sich gezogen hätten.

Zur weiteren Vorgangsweise gab Brunnhofer, der am Dienstag im Krankenhaus Freistadt war, an, dass die betreffenden Krankengeschichten nun dem beschuldigten Oberarzt Harald F. übermittelt würden, “denn als Richter bin ich es gewohnt, jemanden, der beschuldigt wird, vorher zu hören, bevor ein endgültiges Urteil gefällt wird”.

“Das ist es, was wir schon immer wollten”, zeigte sich Karl Krückl, der Anwalt des Oberarztes, erfreut über die Möglichkeit zur Stellungnahme. F. und sein früherer Chef, Primar Norbert Leithner werden vermutlich in der nächsten Woche durch die Expertenkommission befragt.

Mauer des Schweigens

Während Landeshauptmann Josef Pühringer nach der Aussprache mit Belegschaftsvertretern aus Freistadt Fehler im Krisenmanagement eingestand und personelle Konsequenzen ankündigte, zeigte sich Gesundheitslandesrat Josef Ackerl (SP) skeptisch, was die Klärung der Frage nach den Verantwortlichen betrifft. Es sehe danach aus, als ob letztlich der Primar und die Verwaltungsangestellte, die Krankengeschichten unvollständig kopiert haben soll, schuld an der ganzen Angelegenheit sein sollen. “Ich bin entsetzt über die Mauer des Schweigens und den Mangel an Zivilcourage”, äußerte sich Ackerl enttäuscht über den “Ausdruck einer Hilflosigkeit unter den Ärzten in Freistadt, die jahrelang von den Problemen in der Chirurgie wussten und nichts getan haben”.

Selbst angezeigt

Im Fall einer Hämorrhoiden-Operation im Krankenhaus Kirchdorf, nach der eine 28-jährige Frau gestorben sein soll, gebe es nach Auskunft des Büros von Personalreferent Franz Hiesl (VP) vorerst keine dienstrechtlichen Schritte gegen die betroffene Chirurgie-Primaria, die auch als Gutachterin in Freistadt tätig war, um die angezeigte Häufung von Behandlungsfehlern zu untersuchen. In Kirchdorf sei nichts vertuscht worden, das Krankenhaus habe sofort selbst Anzeige erstattet. Ein gerichtsmedizinisches Gutachten liege bereits vor, zwei weitere würden noch eingeholt.

STANDARD-Mitarbeiterin Lisa Nimmervoll
DER STANDARD, 8. September 1999


Keine Verbindung zwischen mysteriösen Todesfällen

WELS/ST.PÖLTEN. Eine Überprüfung aller Spitalsmitarbeiter der vergangenen Jahre brachte keinen Hinweis auf eine Verbindung zwischen Todesfällen durch Kalium in den Krankenhäusern Wels und St. Pölten.

Am 10. September 1996 waren innerhalb weniger Stunden drei Dialyse-Patienten in St. Pölten gestorben, eine Frau wurde in letzter Minute gerettet. Die bei der Dialyse verwendete Flüssigkeit war mit einer hohen Dosis Kalium vergiftet worden. Das Spital erstattete Selbstanzeige, doch die Staatsanwaltschaft musste am 3. Juli 1997 das Verfahren abbrechen: “Die Überprüfung der Kalium-Konzentration ergab in einem Behälter 15-fach überhöhte Werte, alle anderen Behälter waren in Ordnung”, erklärte Staatsanwalt Johann Buttenhauser gestern. Man habe aber keine Hinweise auf einen Täter gefunden.

Bei der Welser Kripo und Staatsanwaltschaft wartet man inzwischen auf ein Gutachten zur Kalium-Affäre: Noch könne man nicht einmal sagen, ob es nun um einen Mordversuch oder vielleicht einen Unfall gehe, zieht sich die Staatsanwaltschaft auf einen Formal-Standpunkt zurück.

“Endlich direkt mit Arzt reden”

Besorgt reagiert Verteidiger Karl Krückl auf die Absicht der Justiz, einen Gutachter alle 50 “Verdachtsfälle” überprüfen zu lassen: “Es wäre ökonomischer, würde man endlich mit Oberarzt F. selbst darüber reden – im Beisein eines Gutachters und mit den Krankengeschichten könnte man so wahrscheinlich 45 von den 50 Fällen gleich aufklären”, meint Krückl. Es sei auffällig, dass sich F.s neuer Chef nach dessen Versetzung ans Landeskrankenhaus Steyr in einem Schreiben an die Anstaltendirektion positiv über dessen Arbeit geäußert habe, obwohl F. drei Monate lang für Ambulanz und Operationen voll eingeteilt wurde. Krückl befürchtet, auf das Gutachten werde man monatelang warten müssen. (pa)

OÖN Hauptausgabe vom 01.09.1999 – Seite 015


Freistädter Oberarzt kämpft um Entlastung und Akten

LINZ. “Das ist ein klassisches Mobbing gegen unseren Mandanten”, geht der Anwalt des Freistädter Oberarztes Harald F.,  in die Offensive: Ärzte des Mittelbaus hätten sich klar hinter F. gestellt.

Am 11. Mai ’99 wenden sich 12 Freistädter Spitalsärzte an den Chef der Landes-Anstaltendirektion mit der Feststellung, dass “die chirurgische Abteilung unseres Hauses unter der nun seit einigen Jahren bestehenden Situation leidet”. Die Zusammenarbeit habe sich “insbesondere in den letzten Monaten deutlich verschlechtert”. Die Ursache dafür Oberarzt F. zuzuordnen, scheine den Unterzeichneten jedoch nicht richtig. Von Seiten der anderen Spitalsärzte und auch fachlich gebe es mit F. keine Probleme. Man wolle damit Stimmen entgegentreten, die ihn “wiederholt diskreditiert” hätten – gemeint ist damit offenbar Primar L.

Bei Gericht oder Gendarmerie gab es mittlerweile noch keine Einvernahme von F. zu den Vorwürfen, seine Anwälte Lichtl und Karl Krückl bemühen sich bisher vergeblich um die betreffenden Krankengeschichten. Sie haben in einem Schreiben an den Leiter der Landes-Untersuchungskommission dazu aufgefordert, “beide Seiten zu hören”.

Mysteriös bleibt F.s Andeutung, im Verlauf der Erhebungen werde “eine Bombe platzen”: Der Anwalt deutet lediglich an, dass es am Krankenhaus Freistadt “betreffend Primar L. Vorfälle gegeben hat, die aus Gründen der Amtsverschwiegenheit noch nicht näher dargelegt wurden”. Protokolle ähnlich denen L.s gebe es nicht.

Neuer Brief von anonymem AKH-Aufdecker

LINZ. “Anonymus” ist wieder da: Der Briefschreiber berichtet an Staatsanwaltschaft, Bürgermeister Franz Dobusch und die OÖN von weiteren Zwischenfällen am AKH Linz und AKH Wels.

“Die eigentlich Verantwortlichen waschen ihre Hände in Unschuld”, ist Anonymus unzufrieden: Für die “regelmäßig begangenen Fehler der Abteilung der Unfallchirurgie” am AKH Linz sei deren Chef Primar R. verantwortlich. Dieser habe als Arzt im Notarzthubschrauber einen Patienten falsch intubiert, sodass der Tubus statt in der Luft- in der Speiseröhre gelegen sei. Über weitere Fehler werde man noch berichten. Landesrat Josef Ackerl wird vorgeworfen, dass auch er “nur unzureichend Konsequenzen gezogen” habe: “Im Gegensatz zur Affäre in Freistadt hat er es vermieden, aufklärende Schritte zu setzen”, heißt es im Brief.

Todesfall in Wels

Erstmals erwähnt der anonyme Brief auch zwei “mysteriöse Fälle aus dem Krankenhaus Wels”: Vor wenigen Monaten seien dort zwei Patienten innerhalb von zwei Tagen während ihrer Operation an einer Überdosis Kalium verstorben. Diese Überdosis dürfte durch Infusionen aufgetreten sein. Die Justiz ermittle bereits wegen fahrlässiger Körperverletzung. Es gebe in Medizinerkreisen das Gerücht, dass der Welser Spitalschef A. einen Drohanruf bekommen habe, es würden noch mehr Todesfälle auftreten, wenn “sich nicht etwas ändert”. Das AKH Wels bestätigt einen Todesfall, der der Staatsanwaltschaft gemeldet worden sei. Ein zweiter OP-Zwischenfall endete glimpflich, die Patientin überlebte. Von einem Drohanruf sei im Haus nichts bekannt, erklärte die stellvertretende Verwaltungsdirektorin. Für die Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung. (pa)

VON PETER AFFENZELLER
OÖN Hauptausgabe vom 28.08.1999 – Seite 023


Spitalsaffäre: Fachliche Mängel in 150 Fällen

Im LKH Freistadt ufert die Spitalsaffäre immer mehr aus. Der beurlaubte Primar hat 150 Fälle von “Behandlungsproblemen” dokumentiert. Die Ermittlungen laufen nun in Linz.

LINZ. 150 Fälle mit fachlichen Mängeln dokumentierte der beurlaubte Chirurgieprimar des LKH Freistadt zwischen 1993 und 1997. Penibel führte der Primar über Krankengeschichten Buch, bei denen seiner Meinung nach der suspendierte Oberarzt und andere Mitarbeiter seines Teams nicht dem medizinischen Standard gemäß vorgegangen sind. Beispielsweise soll der Oberarzt 1993 bei einer Leistenbruchoperation “gepfuscht” und den Leistenkanal zu eng dimensioniert haben. Der Patient wurde dadurch zeugungsunfähig. Der Fall kam jedoch ordnungsgemäß vor die Schiedstelle, der Patient erhielt eine Entschädigung.

Den Vorwurf an den Primar, zu spät reagiert zu haben, weist sein Anwalt Hans Kaser scharf zurück: “Mein Mandant fand bei seinen Vorgesetzten kein Gehör und dokumentierte deshalb die Fälle. Als er das Konvolut der Anstaltendirektion übergab, wurde ihm gesagt, daß der Oberarzt für sein Handeln selbst verantwortlich sei und das Land die Verantwortung für die Fälle übernehme.” Offiziell hat der zuständige Beamte die Akten am 5. Mai 1997 erhalten, diese aber nicht an seinen Vorgesetzten, dem Leiter der Anstaltendirektion, weitergegeben.

Einen Knalleffekt gibt es auch bei den gerichtlichen Ermittlungen: Gegen den Oberarzt wird nun nicht mehr wegen “Fahrlässiger Tötung” (§ 80 StGB, Strafrahmen bis zu einem Jahr Haft), sondern wegen “Fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen” (§ 81 StGB, Strafrahmen bis zu drei Jahren Haft) erhoben. Damit ist nicht mehr das Bezirksgericht Freistadt, sondern das Landesgericht und die Staatsanwaltschaft Linz zuständig.

Die Anwälte des suspendierten Oberarztes sind über diese Vorgangsweise erstaunt: “Wir sehen keinen Grund, warum plötzlich ,besonders gefährliche Umstände’ vorliegen sollen”, sagte Verteidiger der “Presse”. Er kritisierte, noch immer keine vollständigen Akten zu haben. Der betroffene Oberarzt zog es übrigens vor, mit seiner Familie auf Urlaub zu fahren und sich so dem Medienrummel um seine Person zu entziehen.

Nach zähem Ringen ist nun die Zusammensetzung der unabhängigen Kommission fix, die die Vorfälle im LKH Freistadt untersuchen soll. Den Vorsitz hat der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichtes für Linz und Salzburg, Rudolf Brunnhofer inne. Weitere Mitglieder sind: Othmar Hanke, Oberlandesgerichts-Präsident i. R., Ulrich Holter, ärztlicher Sachverständiger, Felix Pantucek, Pathologe, Georg Bauer, Chef des Gerichtsmedizinischen Institutes in Wien, und Peter Brücke, Chirurg am Linzer AKH.

Konsequenzen gibt es auch am LKH Steyr. Der Konsiliarvertrag mit jener Oberärztin der Pathologie, die für das LKH Freistadt die Obduktionen durchgeführt hat und im Verdacht steht, etwaige Ungereimtheiten nicht angezeigt zu haben, wurde gelöst.

VON SONJA FRANK UND GERHARD LUKESCH
Presse 25. 8. 2000


Tödliche Kunstfehler: Landesrat gibt seinen Beamten die Schuld

Die externe Kommission, die die Serie von möglichen Kunstfehlern am Landeskrankenhaus Freistadt untersuchen soll, nimmt heute ihre Arbeit auf. Den Vorsitz übernimmt der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichts Linz und Salzburg, Rudolf Brunnhofer.

LINZ. Die Kunstfehler-Affäre am Landeskrankenhaus Freistadt in Oberösterreich weitet sich aus. Ein Spitzenbeamter aus dem Ressort von Spitalslandesrat Walter Aichinger (VP) soll Akten über aufklärungsbedürftige Vorfälle im Mai 1997 im Archiv abgelegt haben, ohne diese an seinen Vorgesetzten weiterzuleiten. “Der Beamte ist für das Spitalswesen zuständig. Er befindet sich zur Zeit noch im Urlaub, wurde aber bereits zurückbeordert und wird, bis die Vorfälle geklärt sind, beurlaubt”, sagte Aichinger.

Forderungen nach seinem eigenen Rücktritt lehnt Aichinger ab. Im Gegenteil: Verantwortlich seien seine Beamten, die ihn nicht informiert hätten. Intern sollen nun die Kommunikationsstrukturen und die Dienstwege durchleuchtet werden.

Als langfristige Lösung für die Misere forderte Aichinger die Bildung einer “Holding Landesspitäler”. “Wir müssen die Zersplitterung der Kompetenzen und die dadurch entstehenden Reibungsverluste bei der Kommunikation wegbringen.”

Heute, Donnerstag, tritt zum ersten Mal die externe Untersuchungskommission zusammen, die die Todesfälle im LKH Freistadt untersuchen soll. Den Vorsitz übernimmt Rudolf Brunnhofer (74), der in den Jahren 1986 bis 1990 Präsident des Oberlandesgerichtes Linz und Salzburg war. Brunnhofer gilt in Fachkreisen als unumstrittener Fachmann in Zivilrechtsangelegenheiten. Mit ersten Ergebnissen der Kommission ist in einem Monat zu rechnen.

In den kommenden Tagen wollen die Anwälte des betroffenen Oberarztes aus Freistadt in die Gegenoffensive gehen: “Die Vorwürfe gegen unseren Mandanten sind völlig aus der Luft gegriffen, es gab keine Verfehlungen und wir werden dies auch klar darlegen”, erklärte der Verteidiger  im Gespräch mit der der “Presse”.

VON SONJA FRANK UND GERHARD LUKESCH
Presse 19. 8. 2000


“Wurde bisher nie zu den Vorwürfen befragt!”

LINZ. “Mein Mandant wurde noch nie befragt und erhält auch keine Informationen zu den erhobenen Vorwürfen”, wirft der Anwalt des beschuldigten Freistädter Oberarztes, Karl Krückl, Politik und Justiz vor.

Der Arzt selbst will sich weiterhin nicht zum Kunstfehler-Skandal äußern: “Er nimmt seine ärztliche Schweigepflicht und die Amtsverschwiegenheit sehr ernst und hält sich daran – und es wäre gut, wenn andere das auch täten und man wieder sachlich diskutieren könnte”, so Krückl. Der Arzt befinde sich derzeit “auf Erholungsurlaub” und wolle danach seinen Dienst im Krankenhaus Steyr wieder antreten.

Zu den Kunstfehler-Vorwürfen sei der Chirurg bisher nie befragt worden: Weder bei der Erstellung des “geheimen” Landes-Prüfberichts noch von der Justiz. “Man hat ihm nie die Gelegenheit gegeben, sich zu rechtfertigen oder Dinge, die die Gutachter bemängeln, zu erklären. Wir wissen nicht einmal den Wortlaut der Anzeige, weil wir noch gar keine Akteneinsicht erhalten haben”, moniert Krückl. Auch vom Land werde der Arzt “informationsmäßig ausgehungert”: Er habe sich mit der Bitte um Unterlagen an die Landesräte Ackerl und Aichinger gewendet; bisher erfolglos.

Scharf zurückgewiesen wird von Krückl der Inhalt jener “Protokolle”, in denen der Freistädter Primar angebliche Verfehlungen seiner Untergebenen der Landes-Anstaltendirektion mitgeteilt habe: “Die Richtigkeit dieser Aufzeichnungen wird bestritten. Die persönlichen Probleme mit dem Primar sind nicht von meinem Mandanten ausgegangen”, so Krückl.

Arzt bietet Aufklärung an

“Sobald man endlich Fälle auf den Tisch legt und er zu konkreten Vorwürfen Stellung nehmen kann, will mein Mandant an einer Aufklärung mitwirken”, richtet Krückl aus. Er sei nach mehrstündigen Gesprächen mit dem Arzt “überzeugt, dass er unschuldig ist und sich die Vorwürfe in Luft auflösen werden”. Es müsse einem zu denken geben, wenn der zuständige Primar ausgerechnet an dem Tag pragmatisiert werde, an dem auch die Anzeige gegen den Oberarzt ins Rollen kam.

Sobald man endlich Akteneinsicht bekomme, wollen Arzt und Verteidiger auch Beweisanträge an die Staatsanwaltschaft einbringen. Nähere Details zu einer Verteidigungslinie will Krückl nicht offenlegen. Sein Mandant habe bisher alle Interview-Angebote von Nachrichtenmagazinen abgelehnt . (pa)

OÖNHauptausgabe vom 19.08.1999 – Seite 015


Interview. Der Arzt Harald F. über seine Karriere und sein Leben als Beschuldigter.

Sein Medizinstudium absolvierte er in Mindestzeit. 19 Jahre nach seiner Promotion ist der Linzer Chirurg Harald F., 43, schweren Anschuldigungen ausgesetzt. Im Zuge des Freistädter Spitalsskandals wird er für acht Kunstfehler mit vier Todesopfern verantwortlich gemacht. „Der psychische Druck, der auf mir lastet, ist enorm“, sagt Harald F. im NEWS-Exklusivinterview. Die Karriere des dreifachen Familienvaters begann 1980, wo er eine Facharztausbildung bei den Barmherzigen Schwestern in Linz absolvierte. Anfang 1987 wurde er im Krankenhaus Enns als Oberarzt eingestellt, ehe er am 1. April 1988 ins Landeskrankenhaus Freistadt wechselte. Am 1. Mai dieses Jahres wurde er ins LKH Steyr versetzt. Inzwischen hat F. einen längeren Urlaub angetreten und wartet auf die Ergebnisse der Untersuchungskommissionen.

NEWS: Wie geht es Ihnen derzeit?

Harald F.: Der psychische Druck ist grausam. Noch schlimmer als die Ungewißheit sind die Medien, die mich nahezu verfolgen und mir seit Tagen vor meinem Haus auflauern. Doch das Leben muß weitergehen, auch wenn es manchmal weh tut. Wenn ich mir jetzt eine Kugel in den Kopf schießen würde, wäre das Problem auch nicht gelöst. Zum Glück stehen meine Frau und meine drei Kinder voll hinter mir. Das gibt mir Kraft.

NEWS: Wann haben Sie von den Vorwürfen gegen Sie erfahren?

Harald F.: Am 26. Juli bin ich auf Urlaub gegangen, diesen Montag hätte ich meinen ersten Arbeitstag gehabt. Doch bereits in der ersten Urlaubswoche haben mir die Herren von der Landesanstaltendirektion nahegelegt, daß ich auch noch meinen Resturlaub verbrauchen soll.

NEWS: Wie kommentieren Sie die Vorwürfe, schwerste Kunstfehler begangen zu haben?

Harald F.: Zum Fall darf ich konkret nichts sagen. Als Beamter habe ich die Amtsverschwiegenheit zu wahren, als Arzt das Arztgeheimnis. Nur soviel: An den Vorwürfen gegen mich ist nichts wahr. Das wird sich spätestens vor Gericht herausstellen. Wenn die Wahrheit ans Licht kommt, könnte eine Bombe platzen.

NEWS: Welche Bombe?

Harald F.: Kein Kommentar.

NEWS: Primar Josef Feichtinger, ärztlicher Leiter des LKH Steyr, hat gemeint, daß Sie als Chirurg so gut gearbeitet haben wie alle anderen auch.

Harald F.: Während meines Medizinstudiums in Wien habe ich einen Großteil der Prüfungen mit Auszeichnung bestanden. Seit 1980 arbeite ich als Chirurg. Wenn ich wirklich so ein schlechter Arzt wäre, wie jetzt alle schreiben, hätte ich mich garantiert nicht so lange in diesem Job halten können. Mein ehemaliger Chef, der Vorgänger von Primarius Leithner in Freistadt, hat sich zweimal von mir operieren lassen, einmal auch dessen Frau.

NEWS: Wie soll’s jetzt weitergehen?

Harald F.: Ich weiß es nicht. Die Gespräche mit meinem Linzer Anwalt Karl Krückl haben mich positiv aufgebaut. Ich glaube fest daran, daß ich rehabilitiert werde. Zur Zeit versuche ich, ganz normal weiterzuleben. Ablenkung finde ich in meinen Hobbys, der klassischen Musik und dem Restaurieren von alten Möbeln. Vor allem mein Lieblingskomponist Mozart hilft mir, mit dem Ganzen fertig zu werden. Eigentlich wollte ich ja Dirigent werden. Vor meinem Medizinstudium habe ich sogar eine dreijährige Dirigentenausbildung am Bruckner-Konservatorium in Linz absolviert, zudem habe ich eine staatliche Lehrbefähigungsprüfung für Klavier mit Auszeichnung abgeschlossen.

NEWS: Warum sind Sie nicht Dirigent geworden?

Harald F.: In der Musik ist es wesentlich schwieriger als in der Medizin, Karriere zu machen, Dirigentenstellen sind schließlich dünn gesät. Ich bin immer zwischen Medizin und klassischer Musik hin- und hergeschwankt. Die Medizin war immer meine große Leidenschaft nach der Musik. Natürlich haben es meine Eltern – der Vater war ein kleiner Postbeamter – lieber gesehen, daß ich Arzt werde, aber sie haben mich nie dazu gedrängt.

Interview: W. Ainetter
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Arzt-Anwalt kontert scharf FREISTADT/LINZ. “Mein Mandant weist die Vorwürfe, ärztliche Kunstfehler begangen zu haben, auf das Entschiedenste zurück”, nahm gestern Karl Krückl, der Linzer Anwalt des Oberarztes, dem an der Chirurgie am Landeskrankenhaus Freistadt acht Behandlungsfehler vorgeworfen werden, erstmals öffentlich Stellung. Wer die Vorwürfe kenne, sehe auch, woher sie kämen. Er gehe davon aus, dass sich der Skandal “in Luft auflösen” werde.

OÖN Hauptausgabe vom 18.08.1999 – Seite 013


ORF Report vom 17. August 1999

Bericht: Klaus Hipfl/Sabine Zink/Patricia Pawlicki, Kamera: Rudi Urban/Arno Bohland, Schnitt: Bogotaj, Sprecher: Otto Clemens

Der Bürgermeister von Freistadt musste es in der Zeitung lesen: Das Krankenhaus seiner Stadt soll angeblich das Skandalspital Österreichs sein. Persönlich will er am Montag nachmittag besorgte Patienten beruhigen und – erlebt eine Überraschung: Die Freistädter sind mit ihrem Krankenhaus zufrieden. Vier Patienten sollen in den letzten zwei Jahren an dieser Klinik wegen ärztlicher Fehler zu Tode gekommen sein. Kein Grund für die mühlviertler Patienten, an ihren Ärzten zu zweifeln. Zumindest nach Aussen nicht.

“So gut wie da ist es nirgends. Ich bin schon in Linz gewesen – so gemeinschaftlich, wie es da her geht.”

“Es soll nicht alles an die grosse Glocke gehängt werden. Es passiert dort ein Fehler, dort ein Fehler – was sie leisten können, das leisten sie.”

Patienten, wie sie sich manche Ärzte wünschen. Zur gleichen Zeit einige Stockwerke tiefer. Betriebsversammlung des Personals. Man fordert Aufklärung vom zuständigen Landesrat und verlangt auch die Suspendierung des Primars der Chirurgie Dr. Leithner. Dieser hat – so lässt er es über seinen Anwalt den Medien mitteilen, seit Monaten vergeblich die Verwaltung auf die vermeintlichen Fehler seines Kollegen hingewiesen.

…………..

Der Patientenvertreter hat die zuständigen Behörden auf Probleme innerhalb der Freistädter Chirurgie aufmerksam gemacht. Es war ein offenes Geheimnis, dass die Chemie zwischen dem Primar und seinem Oberarzt nicht stimmte. Die beiden Chirurgen lagen im Dauerstreit. Heute nahm erstmals auch der beschuldigte Oberarzt Stellung: ebenfalls via Anwalt.

Karl Krückl, Anwalt von Oberarzt Friess

“Die Vorwürfe, die gegen meinen Mandanten erhoben sind, sind durch die Bank unberechtigt. Zum Teil ist es so, dass die Fälle, die jetzt auch durch die Presse geistern ihn gar nicht betreffen. Er hat zum teil hier an Operationen überhaupt nicht mitgewirkt.”

“Gab es persönliche Differenzen?”

“Offensichtlich von Seiten des Dr. Leithner hat es Animositäten gegenüber dem Herrn Oberarzt gegeben.”

“Hat der Leiter der Chirurgie Freistadt den Oberarzt persönlich verfolgt?”

“Wie dies zu werten sein wird, wird sich noch zeigen. der Eindruck drängt sich mir auf.”

Nach der Beriebsversammlung im Spital: Der Primar wird nicht suspendiert. Und heute wird bekannt: Primarius Leithner ist seit erstem Juli dieses Jahres überhaupt unkündbar. Im Moment hat er bessere Karten in seiner Privatfehde gegen den Oberarzt. Wenn Ärzte streiten sind Patienten und deren Vertreter machtlos.

Jakob Gratzer, Patientenvertreter OÖ

“Das ist sehr schwierig für den Patientenvertreter hier etwas zu tun. Wir haben in anderen Fällen, die mit dem gegenständlichen nichts zutun haben schon einmal versucht ein gespräch mit auch zwei Ärzten, die miteinander im Streit gelegen sind, zu führen. Das ist, muss ich sagen, daneben gegangen.”

……

Routinemässig lädt der Patientenanwalt im Wiener AKH die Ärzte zu einer Besprechung. Auch in dieser Universitätsklinik mit Weltruf gab es schon spektakuläre Kunstfehler. Stichwort Irrtümliche Hodenentfernung. Intern heisst das dann: Mangelnde Qualitätssicherung.Der Patientenanwalt will nicht immer nur im Nachhinein eingreifen müssen. Auch wenn der Patientenanwalt nicht bei allen Ärzten beliebt ist: Das System mit aussergerichtlichen Vergleichen ist immer noch angenehmer als Anzeigen beim Staatsanwalt. Trotzdem gibt es zahlreiche Gerichtsverfahren und auch dort sind es wieder die Ärzte, die ihre Kollegen als Gutachter beurteilen. Ein Job, den auch Prof. Michael Zimpfer regelmässig macht. Der Chef der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin untersucht routinemässig Fälle wie die in Freistadt.

Michael Zimpfer, Anästhesie und Intensivmedizin AKH

“Es sind natürlich gerichtsanhängige Fälle auch solche, die keineswegs einen tödlichen Ausgang haben und wir haben immer zwei bis drei Causen in Bearbeitung.”

“Im Monat?”

“In gleichzeitiger Bearbeitung, die sich dann über ein bis zwei Monate zieht.”

……